Wir haben ein Interview mit Harry Stehrenberger geführt, um mehr über das Arbeiten im Alter aus der Perspektive von seniors@work und seine persönliche Sichtweise zu diesem Thema zu erfahren. In welchem Zusammenhang steht dies mit HEROES? seniors@work and his personal view on the topic. How does this relate to HEROES?
Können Sie sich und seniors@work kurz vorstellen?
Seniors@work ist eine Rekrutierungsplattform für Menschen kurz vor und nach der Pensionierung. Die Plattform vermittelt Arbeitsstellen, hauptsächlich für bezahlte Arbeit, obwohl ehrenamtliche Arbeit nicht ausgeschlossen ist. Die zugrunde liegende Vision ist es, eine Welt zu schaffen, in der Menschen auch im Ruhestand beruflich aktiv bleiben können. Gerade in Zeiten des Personalmangels werden motivierte Rentnerinnen und Rentner zu einer wichtigen Stütze der Schweizer Wirtschaft. Seniors@work bringt das Potenzial der älteren Generation mit Unternehmen zusammen und fördert den sinnvollen Austausch zwischen den Generationen. Stehrenberger engagiert sich in der Organisation als Aktionär und als angehender Markenbotschafter. Auch er gehört inzwischen altersmässig zur Zielgruppe von seniors@work und steht noch mitten im Berufsleben. Er besitzt eine IT-Firma, die vor allem Start-ups unterstützt und ist Dozent an zwei Schweizer Hochschulen im Bereich IT-Bankmanagement und Betriebswirtschaft.
Gibt es viele Menschen 60+, die über die Plattform nach Arbeit suchen? Was motiviert sie?
Am Anfang konzentrierte sich seniors@work vor allem auf Menschen über sechzig Jahre, aber jetzt sieht man, dass es immer mehr Menschen gibt, die bereits in ihren Fünfzigern sind und nicht mehr beruflich tätig sind, oder den Arbeitsplatz wechseln und nach flexiblen Arbeitsmöglichkeiten suchen. Seniors@work hat bereits 35.000 registrierte Fachleute, und die Plattform wird immer grösser, nicht nur, weil die Menschen aus finanziellen Gründen Arbeit suchen, sondern auch, weil sie beschäftigt bleiben und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen. Bezahlte Arbeit ist somit auch eine Form der Wertschätzung, die von der Gesellschaft zurückgegeben wird. Berufstätige ältere Menschen sind intrinsisch motiviert, sich mit anspruchsvollen Inhalten zu beschäftigen und Werte zu schaffen. Erfahrung altert nicht. Das ist das Motto von seniors@work.
Wie würden Sie das Profil der Menschen beschreiben, die mit 60+ arbeiten, und welche Art von Arbeit suchen sie?
Es gibt viele qualifizierte Menschen, die über seniors@work arbeiten. Im Allgemeinen arbeiten sie eher im Dienstleistungsbereich als in Sektoren, die schwere körperliche Arbeit erfordern (dies gilt sowohl für Menschen mit höherem als auch mit niedrigerem Bildungsniveau). Schliesslich haben sie immer noch einen scharfen Verstand, während körperlich anstrengende Arbeiten im Allgemeinen schwieriger sind. Bei den Dienstleistungen kann man an Wirtschaftsprüfungen oder Start-ups denken. Diese Unternehmen sind oft auf der Suche nach zusätzlichem Personal in Spitzenzeiten oder können die Erfahrung und das Wissen älterer Fachpersonen gut gebrauchen (die es ihrerseits oft besonders aufregend finden, mit jungen Leuten an neuen Unternehmungen zu arbeiten). Auch Jobs im Detailhandel, Verkauf, Marketing, Interim-Management und in der Beratung sind beliebt.
Was sind die idealen Arbeitsbedingungen für Menschen über 60? Was sollte sich verbessern?
Idealerweise arbeiten immer mehr Menschen in Teilzeit, flexibel, selbständig und aus der Ferne. Das gilt nicht nur für Menschen, die im höheren Alter arbeiten, sondern zum Beispiel auch für Berufsanfänger oder junge Eltern. Man kann es auch die neue Art des Arbeitens nennen, die wir alle in irgendeiner Form während der Corona-Pandemie erlebt haben. Mit Blick auf die Zukunft sollten die Unternehmen bewusst flexiblere Arbeitsplätze definieren, um diese neue Art des Arbeitens zu erleichtern. Dies ist jedoch nach wie vor eine Herausforderung, da viele Manager immer noch auf eine projektorientierte Vollzeitarbeit eingestellt sind, wobei man fünf Tage in der Woche von 9 bis 17 Uhr anwesend sein muss. Einige Sektoren haben damit mehr zu kämpfen als andere. Dennoch hat die Pandemie gezeigt, dass die Menschen, wenn es darauf ankommt, gute Arbeit leisten, auch in einem flexibleren Arbeitsumfeld. Zumindest ist dies die persönliche Überzeugung von Harry Stehrenberger. Ein weiterer Punkt ist, dass es Unternehmen gibt, z.B. im Banken- und IT-Bereich, die sich aus Kostengründen lieber von ihren älteren Mitarbeitern trennen. Dies schafft eine zusätzliche Spannung im Hinblick auf den bestehenden Personalmangel, der in ganz Europa zu verzeichnen ist. Seniors@work versucht, hier zu vermitteln.
Könnte die HEROES-App für Erwachsene über 60, die nach der Pensionierung arbeiten wollen, hilfreich sein?
Auf jeden Fall, sagt Stehrenberger. Der Gedanke, eine Betreuungsgemeinschaft aufzubauen, die nicht nur zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden vermittelt, sondern auch für unterstützende Aufgaben da ist - sei es Hilfe beim Einkaufen, bei der Gartenarbeit oder einfach nur jemanden zu haben, mit dem man einen Kaffee trinken kann - ist potenziell ein starkes Instrument, um ein selbstbestimmteres Leben zu ermöglichen. Noch wirkungsvoller wäre es, wenn die jüngeren Senioren die Plattform nutzen würden, um die älteren Senioren zu unterstützen, und zwar nicht nur, um ihr Fachwissen als Bewerter einzubringen, sondern auch sich als Betreuungsperson. Ohne die medizinisch orientierte Pflege ausschliessen zu wollen, sieht Harry Stehrenberger mehr Potenzial in der Nutzung von HEROES für Betreuungstätigkeiten, die keine professionelle medizinische Ausbildung erfordern. Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich Menschen innerhalb der Gemeinschaft gegenseitig helfen können.
Welche Vorteile und/oder Nachteile sehen Sie?
Wenn man HEROES als eine Betreuungsgemeinschaft betrachtet, bei der die App nur ein Werkzeug ist, um sie zu verwalten, liegt der grösste Vorteil darin, dass sie das Potenzial hat, tatsächlich gross zu werden. Gross genug, um eine funktionierende Betreuungsgemeinschaft zu bilden. Das bringt aber auch einen Nachteil mit sich: Es dauert Monate, vielleicht sogar Jahre, um eine solche Gemeinschaft aufzubauen, und dafür braucht man eine Organisation, die die Anwendung verwaltet. Das ist in der Schweiz noch nicht der Fall. Ausserdem ist für die Arbeit mit einer solchen App eine gewisse technologische Affinität erforderlich, was manche Menschen davon abhalten könnte, sie zu nutzen. Stehrenberger ist jedoch der Meinung, dass das Bedürfnis danach vorhanden ist und somit auch ein potenzieller Markt. Menschen brauchen soziale Beziehungen und Unterstützung, nicht nur Pflege. Das gilt vielleicht noch mehr für Single-Haushalte. In Zürich sind rund 50% der Haushalte Single-Haushalte und in der Ostschweiz jeder dritte. Dabei geht es nicht nur um jüngere und ältere Senioren, die alleine leben, sondern auch um junge Erwachsene. HEROES kann diese Gruppen zusammenbringen, sowohl für die Pflege als auch für die (soziale) Betreuung.