Ein weiteres Interview wurde geführt, um einen besseren Einblick in die Perspektive der Pflegeempfangenden zu erhalten. Diesmal befragten wir eine 72-jährige Person, die kürzlich von der Spitex zu Hause professionell gepflegt wurde.
Was wünschen Sie sich von einer Betreuungsperson/einer Pflegefachkraft?
Ausgehend von meinen Erfahrungen als jemand, der sich für eine nicht ganz einfache Wundversorgung – nach einem Spitalaufenthalt – in die Obhut der Spitex begeben hat, sind für mich die fachlichen Qualifikationen die wichtigsten Anforderungen an eine Pflegekraft. Alles andere, z.B. Interessen (falls man sich unterhalten möchte), sind Zugaben, die man auch selbst beeinflussen kann.
Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie eine Pflegefachperson suchen?Die Wundversorgung im Spital dient gewissermassen als fachlicher Benchmark. Idealerweise sorgt das Spital oder der Hausarzt für einen reibungslosen Übergang was heisst, dass eine geeignete Fachperson zum richtigen Zeitpunkt bereit ist. Der richtige Zeitpunkt ergibt sich aus den Anweisungen des Spitals bzw. des Hausarztes. Ich möchte also, vor allem zu Beginn (dem Übertritt aus dem Spital) nicht suchen müssen, sondern einfach gepflegt werden.
Wie suchen Sie normalerweise nach einer passenden Pflegefachperson?
Für eine zweite Phase der Pflege, die nicht mehr so akut dafür eher längerfristig angelegt ist, tritt die fachliche Herausforderung in den Hintergrund und der oben erwähnte Unterhaltungsaspekt in den Vordergrund; dies hängt damit zusammen, dass bei der Wundversorgung längere «Wartezeiten» erfordert, die möglichst sinnvoll überbrückt werden sollten.
Welche Menschen sind darin involviert, Ihre Pflegefachpersonen zu finden und was ist deren spezifische Rolle?
Da die fachliche Qualifikation sich meiner Beurteilung entzieht, bin ich diesbezüglich auf beratende oder auswählende Fachpersonen angewiesen.
Wie Wissen Sie, welche Qualifikationen und Fähigkeiten eine Pflegefachperson braucht für den Job, den Sie ausschreiben?Das ist genau der Knackpunkt: ich kann es (in meinem Fall) nicht wissen. Ich kenne auch die Bezeichnungen der beruflichen Qualifikationen nicht bzw. weiss nicht genau, was sie bedeuten. Konkret: ich habe jemanden gebraucht, der Vakuumverbände anlegen und wechseln kann. Dieser Aspekt müsste also in einem «Angebot» angegeben sein – wobei die Ausbildung allein ja nicht genug ist: praktische Erfahrung ist hier absolut unabdingbar.
Wie zufrieden sind Sie mit den ambulanten Pflegediensten in Ihrer Region?
Ich bin ausserordentlich zufrieden. Alles, was ich oben angesprochen habe, wurde erfüllt. Auch die Verbindung zum Spital (Wundambulatorium) war vorhanden, wenn einmal eine Zweitmeinung oder ein Rat eingeholt werden sollte.
Was denken Sie, fehlt dem aktuellen Pflegesystem?
Basierend auf meiner persönlichen Erfahrung, wie oben geschildert: es fehlt nichts. Basierend auf den Erfahrungen mit den Schwiegereltern, die primär Unterstützung im Haushalt brauchten, war der «Rekrutierungsprozess» ein Desaster.
Welche Kanäle brauchen Sie, um eine Pflegekraft zu rekrutieren?
Ich beziehe mich jetzt auf die Schwiegereltern: Primär waren das Empfehlungen von Bekannten. Diese waren aber so unspezifisch (welche Art der Arbeit, wann, wie häufig, Kosten, …), dass «Versuch und Irrtum» angesagt war. Ganz zu schweigen von der menschlichen Komponente: die «Chemie» stimmte nie, so dass alle Versuche ergebnislos abgebrochen werden mussten.
Was muss erfüllt sein, damit eine Beziehung zu Pflege(fach)personen als vertrauensvoll angesehen werden kann?
Vertrauen heisst für mich: «nicht enttäuschte Erwartungen.» Die Erwartungen an die fachliche Qualifikation konnte an der Pflege im Spital gemessen werden, und das heisst nicht «perfekt», sondern anpackend, aber auch Rat suchend, wenn nötig. Offene und transparente Information spielt auch eine grosse Rolle, und zwar auch bezüglich von «Kleinigkeiten», so wie eine längere Verspätung.
Hatten Sie schon mal einen unangenehmen/beleidigenden Zwischenfall mit einer Pflegefachperson? Warum haben Sie sich dabei unwohl gefühlt? Wie sind Sie mit der Situation umgegangen? Nein.
Wie schützen Sie sich gegen Schikane/Missbrauch? Was denken Sie ist wichtig, um Schikane/Missbrauch zu verhindern?
Ein beiderseits – also auch vom Leistungsempfänger - respektvoller Umgang ist eine gute Grundlage, dass es nicht zu negativen Ereignissen kommt. Ein gewisses Verständnis für die Überlastung im Spital und der Spitex ist sicher auch gut, wobei sich das natürlich nicht auf die Qualität auswirken soll, aber wenn eine Pflegeperson keine Zeit für Smalltalk hat, sollte man nicht beleidigt sein.
Würden Sie eine App (entweder am Handy oder am Computer) nutzen, um eine Pflegefachperson zu rekrutieren?
Ja, würde ich verwenden, aber eher für den Typ «Betreuung Schwiegereltern» und nicht für eine Akutsituation wie in meinem Fall.
Wie viel persönliche Unterstützung brauchen Sie, damit Sie sich mit einer App sicher fühlen?
Eine Einführung, und dann selber ausprobieren. Je nach Komplexität eine Hotline oder, noch besser, ein Ansprechpartner.
Welche Informationen möchten Sie bei einem online Tool sehen?
Wie oben beschrieben, die Qualifikation müsste sehr detailliert sein (Beispiel Vakuumverband) und die praktische Erfahrung müsste dabei sein. Auch die früheren Tätigkeiten sind wichtig, wenn jemand in der Akutpflege gearbeitet hat, wäre das für meinen Fall positiv.
Was ist für Sie an einem online Tool wichtig, damit Sie es nutzen?
Ansprechpersonen (wer steckt hinter der App)? Je näher diese Personen bei der Pflege/Medizin angesiedelt sind, desto vertrauenswürdiger; wenn eine Investmentgesellschaft oder ein IT-Unternehmen ohne Bezug zur Pflege dahinter stünde, hätte ich grosse Bedenken). Austausch mit anderen Nutzenden (z.B. Chat) oder Erfahrungsberichte. Bezüglich eines Ratings bin ich mir unsicher, eher nein, lieber Erfahrungsberichte.
Welche Sicherheitsmechanismen sollte ein Online-Tool haben, um Übergriffe/Missbrauch (zwischen Ihnen/Ihrem Angehörigen und dem Betreuer) zu verhindern?
Da sehe ich nichts im Tool selber, ausser eben wieder einer Ansprechperson, die frühzeitig (wenn also Anzeichen eines Missbrauchs ganz schwach sichtbar sind = Warnsignale) um Rat bzw. eine Einschätzung der Situation gebeten werden kann. Also möglichst präventiv. Darauf könnte in der App hingewiesen werden, aber nicht mehr: ich würde also nicht Situationen des Missbrauchs schildern; allenfalls könnten Warnsignale aufgenommen werden, aber selbst da bin ich mir nicht sicher.